Constanze Dennig: Die Alma-Liebekind-Reihe
Constanze Dennig ist Regisseurin und Produzentin zahlreicher Theaterprojekte, Autorin von Theaterstücken, Drehbüchern, Romanen, Sachbüchern und Satiren, und im Hauptberuf Medizinerin – genau gesagt Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie (hier geht es zu unserem Interview mit der Autorin). Psychiaterin ist auch die von Constanze Dennig kreierte Ermittlerin Alma Liebekind, die sie auf die Spur von verzwickten Fällen setzt – die bisherigen vier Bände sind zwischen 2014 un d 2020 erschienen. Dabei greift die Autorin aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen auf, wobei – was wenig verwundert – auch Entwicklungen im Gesundheitswesen und in der medizinischen Forschung einen prominenten Platz einnehmen. Die einzelnen Geschichten müssen nicht unbedingt in der Chronologie des Erscheinens gelesen werden, sie stehen für sich und sind auch ohne „Vorwissen“ verständlich – zumal auch das Krimipersonal in jedem Band zu Beginn vorgestellt wird. Ich zum Beispiel bin mit dem vierten Band „Verkauft“ eingestiegen, war von Alma begeistert, und habe mich dann erst mit den früheren Büchern beschäftigt.
Eine Psychiaterin in Wien 9
Die Psychiaterin Dr. Alma Liebekind-Spanneck hat eine Ordination im 9. Wiener Gemeindebezirk. Ein spezieller Forschungsschwerpunkt Almas ist der Suizid und im Besonderen die Wahl der Todesart – ein Spezialwissen, das ihr insbesondere beim ersten Fall zugutekommt. Weiteres Stammpersonal sind der schrullige Gerichtsmediziner Manfred Marchel, der die Psychiaterin schon gerne einmal als „Frau Dr. Obergscheit“ tituliert; Almas Freundin Erika Sacherl, eine Kriminalpolizistin, der Almas Einmischungen in ihr Metier gar nicht passen; die tüchtige und schlaue Martha, Almas Mutter, die sich massiv in das Leben ihrer Tochter einmischt; Almas jüngerer und etwas verloren durchs Leben gehender Lover Michael alias Michelangelo; und schließlich taucht noch Almas verschollen geglaubter Vater Kajetan Spanneck auf.
Ein gemeinsames Fazit zur Reihe: Constanze Dennig sind hier Wien- und Medizinkrimis gelungen, die sich flott lesen, amüsant sind und doch sehr brisante aktuelle Themen aufgreifen und problematisieren. Das ist verdienstvoll, auch wenn an manchen Stellen die heißen gesellschaftspolitischen Eisen, die angesprochen werden, durchaus etwas Vertiefung verdienen würden. Es macht Freude, mit Alma durch den zweiten oder neunten Bezirk zu streifen und viele Orte wiederzuerkennen. Manch ein Showdown dürfte angesichts der ohnehin starken Plots durchaus weniger dick aufgetragen sein. Die starke und erfolgreiche Alma, ihre nervige, aber höchst hilfreiche Mutter, der tollpatschige und untüchtige Lover – ihnen und den anderen wiederkehrenden Protagonistinnen und Protagonisten begegnet man gerne noch einmal. Die Texte leben stark von den Dialogen – da spiegelt sich wohl auch das Theater-Engagement von Constanze Dennig als Regisseurin und Stücke-Autorin wider.
Abgetaucht
Mit der Geschichte „Abgetaucht“ trat Alma Liebekind 2014 erstmals auf den Plan. Aus dem Wiener Donaukanal wird eine weibliche Leiche gefischt – das Suizidopfer Sabine Katz. Alma, die sich im Rahmen ihrer Recherchen über Suizide für den Fall interessiert, fallen Ungereimtheiten auf – nach einem freiwilligen Gang ins Wasser sieht das für sie nicht aus. Die Psychiaterin beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln, denn die Kommissarin Erika Sacherl und der Gerichtsmediziner Manfred Marchel teilen Almas Verdacht gar nicht. Schließlich liegt das Gutachten eines Polizeiarztes vor, das auch eindeutig für einen Suizid spricht. Doch das will Alma nicht einleuchten – auch weil sie die fachlichen Fähigkeiten des Gutachters anzweifelt. Auf der Suche nach neuen Spuren schließt sie sich einer Puppentheatergruppe an, in der die Tote aktiv war. Bald findet Alma heraus, dass Sabine Katz, alleinerziehende Mutter, Schauspielerin, Puppenspielerin, Autorin und Puppenbauerin, verfolgt wurde. Der Chef der Puppentheatergruppe, ein selbst ernannter Guru, ist bald einer von Almas Hauptverdächtigen. Und ihre Undercover-Ermittlung erweist sich als lebensgefährlich. Mit ihrer Hartnäckigkeit, der Hilfe von Gentechnologie und der konsequenten Unterstützung ihrer tüchtigen Mutter gelingt es Alma, das Rätsel zu lösen.
Constanze Dennig, Abgetaucht. Amalthea Signum 2014, ISBN-13 978-3-902998-13-2
Eingespritzt
Eine junge Turnusärztin stirbt in einem der größten Spitäler Europas – dem Wiener Allgemeinen Krankenhaus – im Nachtdienst ohne ersichtlichen Grund. Die Psychiaterin Alma Liebekind zeigt auch hier wieder ein Faible für mysteriöse Todesfälle und vermutet ein dunkles Geheimnis, auch wenn die Polizei von einer natürlichen Todesursache ausgeht. Almas neugierige Mutter steht ihr auch in diesem zweiten Fall tatkräftig zur Seite – und das wieder mit durchaus unkonventionellen Maßnahmen und Strategien. Bald gibt es interessante Spuren: Hat etwa das Verschwinden der Leichen zweier junger Frauen aus der Pathologie etwas mit dem mysteriösen Tod der Jungmedizinirin zu tun? Die Suche nach Indizien und einer entflohenen Giftschlange führt Alma und ihre Mutter bis nach New York – und sie müssen alle Register ziehen um die undurchsichtige Geschichte aufzulösen und Lüge und Wahrheit auseinanderzudröseln. Denn vieles ist ganz anders, als es scheint.
Constanze Dennig, Eingespritzt. Amalthea Signum 2015, ISBN-13: 978-3-99050-015-6
Böse Samariter
Die schlagfertige Psychiaterin Alma Liebekind mit besonderem Interesse an ungewöhnlichen und schwer durchschaubaren Kriminalfällen ist in diesem Fall mit den brisanten Themen Assistierter Suizid und Sterbehilfe konfrontiert. Themen, denen sich Constanze Dennig auch in ihrer Theaterarbeit schon gewidmet hat. Als zu Silvester nach dem Klingen der Pummerin vor ihren Augen auf einer Terrasse in der Wiener Leopoldstadt Beat Barkes zu Tode kommt, treiben ihre Neugier und ihr kriminalistischer Spürsinn Alma einmal mehr mitten in einen brisanten Fall. Die tüchtige Psychiaterin vermutet, dass nicht die Verdächtige Nummer 1, Beats Ex-Frau, für das frühzeitige Ableben des Schweizer Krankenpflegers, der auf einer Palliativstation tätig war, verantwortlich ist, sondern dass ihn vielmehr seine Kontakte mit einem dubiosen Sterbehilfevereins zum Verhängnis geworden sein könnten. Sie recherchiert engagiert bei den Sterbehelfern, die lukrative Geschäfte machen, einmal mehr unterstützt durch ihre Mutter, die eine Schwerkranke spielt, um an Informationen zu kommen.
Constanze Dennig, Böse Samariter. Haymon 2017, ISBN: 978-3-7099-7892-4
Verkauft
Als sie nach einer Fehlgeburt und einem Eingriff in einer Wiener Privatklinik aus der Narkose erwacht, macht Alma Liebekind eine seltsame Beobachtung. Soll hier ein Todesfall im renommierten Spital vertuscht werden? Und was hat es mit den vielen schwangeren Migrantinnen auf sich, die in einem abgeschirmten Teil der Klinik betreut werden? Angesichts einer ganzen Reihe von Ungereimtheiten kann die neugierige und zielstrebige Psychiaterin auch im geschwächten Zustand das Ermitteln auf eigene Faust nicht lassen und setzt sich in den Kopf, das Geheimnis zu lüften. Die Spurensuche unterstützt selbstverständlich wieder Almas Mutter, die sich einmal mehr als höchst kreativ erweist, wenn es um die Informationsbeschaffung geht. Schon bald gibt es eine interessante Spur zu einem Flüchtlingsheim, aber auch zu einem ehrgeizigen Forscher. Leihmutterschaft, Migration, Ehrenmord und Genforschung – ein starker Zutatenmix, den die Autorin hier gekonnt in eine spannende Geschichte verpackt.
Constanze Dennig, Verkauft. Ueberreuter 2020, ISBN: 978-3-8000-8001-4
Zur Autorin: Constanze Dennig, 1954 in Linz geboren, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, lebt in Graz und Wien. Neben ihrer Tätigkeit als Medizinerin arbeitet sie auch als Autorin von Theaterstücken, Drehbüchern, Romanen, Sachbüchern und Satiren, als Regisseurin und Produzentin zahlreicher Theaterprojekte. Sie ist Theaterleiterin des „Theater am Lend“ in Graz und baut Klappmaulpuppen. Aktuelle Publikation bei Ueberreuter ist ihr Sachbuch „Willkommen Angst?“.