Alaina Urquhart: Die Jagd
„Die Jagd“ von Alaina Urquhart liefert ein düsteres Katz-und-Maus-Spiel zwischen einer begabten Forensikerin und einem gnadenlosen Serienkiller. Authentisch wird die Geschichte durch realistische Details und die kundige Darstellung forensischer Arbeit. Auch wenn die Spannung nicht durchgehend auf höchstem Niveau bleibt, finde ich es doch gekonnt, wie Alaina Urquhart die Handlung durch Perspektivwechsel lebendig hält und uns immer wieder auf neue Fährten führt. Für Thriller- und True-Crime-Fans eine Empfehlung.
In den finsteren Sümpfen Louisianas hinterlässt ein Serienmörder seine blutige Spur. Jeremy ist nicht nur überaus intelligent, er hat auch eine besondere Vorliebe für medizinische Experimente. Die Ermittlerinnen und Ermittler fordert er durch perfide Hinweise heraus. Als die Leichen auf dem Seziertisch der Gerichtsmedizinerin Dr. Wren Muller landen, lässt diese sich auf den brillanten und hochgefährlichen Gegner ein. Wren ist erfahren und absolut hartnäckig, wenn es darum geht, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Doch je näher sie dem Killer kommt, desto mehr wird auch sie selbst zur Zielscheibe. Abwechselnd verfolgen wir die Gedanken des Mörders und die Ermittlungen von Wren Muller, was das psychologische Duell noch intensiver macht.
Was mich an „Die Jagd“ überzeugt hat, ist der fundierte Einblick in die forensische Welt. Alaina Urquhart lässt deutlich ihre Expertise als Autopsietechnikerin in die Geschichte einfließen. Ihr Hintergrundwissen gibt dem Thriller zusätzliche Glaubwürdigkeit. Die Gerichtsmedizinerin ist eine spannende Protagonistin, die mit Entschlossenheit und scharfer Analyse gut als Gegenspielerin zum brutalen Mörder funktioniert. Ich finde die Szenen im Seziersaal durchaus überzeugend, weil sie nicht nur wissenschaftlich präzise, sondern auch atmosphärisch dicht beschrieben sind.
Der Killer Jeremy wirkt zunächst wie ein typischer Psychopath, der alle Klischees erfüllt: traumatische Kindheit, dominante Vaterfigur und erste sadistische Neigungen schon in jungen Jahren. Aber Alaina Urquhart schafft es doch, ihn als Charakter vielschichtiger darzustellen, als es auf den ersten Blick scheint. Besonders die Rückblenden, die tiefer in seine Vergangenheit eintauchen, machen ihn plastischer und liefern Erklärungen für seine Motivation und seine abscheulichen Taten.
Die Struktur des Buches mit den kurzen Kapiteln und häufigen Perspektivwechseln sorgt für Tempo. Auch wenn die Spannung in der Mitte des Buches manchmal etwas abflacht, wird das durch die bewegte Dynamik zwischen Wren und Jeremy wieder ausgeglichen. Einige unerwartete Wendungen haben mich wirklich überrascht treiben das Geschehen voran.
Ein Pluspunkt aus meiner Sicht ist die Authentizität, die Alaina Urquhart einbringt. Sie liefert einen glaubwürdigen Einblick in die Welt der Gerichtsmedizin und in die psychologischen Mechanismen der taten. Die düstere Atmosphäre der Sümpfe Louisianas unterstützen als Setting die Geschichte hervorragend. Einige Nebenfiguren hätten mehr Potenzial gehabt und bleiben etwas flach und nicht immer nachvollziehbar.
Die Vergangenheit des Killers ist etwas zu überzeichnet und an bekannten Serienkiller-Klischees orientiert. Dieser Figur hätte eine komplexere Zeichnung vielleicht gutgetan. Insgesamt hat mich „Die Jagd“ vor allem durch eine durchwegs gelungene Mischung aus forensischem Fachwissen und Psychothriller-Plot überzeugt. Das Duell zwischen Täter und Gerichtsmedizinerin entwickelt eine gelungene Dynamik. Ein Debüt, dem wohl weitere Romane folgen werden, zumal das Ende durchaus nach Fortsetzung aussieht.
Alaina Urquhart, Die Jagd. Übersetzt von Frank Dabrock; Heyne Verlag 2024, ISBN-10: 3453441842.
Alaina Urquhart ist Autopsietechnikerin und Expertin auf den Gebieten Psychologie und Strafjustiz. Als Co-Moderatorin des erfolgreichen True-Crime-Podcasts „Morbid: A True Crime Podcast“ hat sie sich in der Szene einen Namen gemacht. „Die Jagd“ ist ihr Romandebüt. Alaina Urquhart lebt mit ihrer Familie und ihrem Mops Bailey in Boston.
